Vor zwei Jahrzehnten schienen HIV und Aids unaufhaltsam – heute bekommen 77 Prozent aller mit dem Virus lebenden Menschen lebensrettende HIV-Medikamente. Besonders in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara, in denen 65 Prozent aller Infizierten leben, gibt es enorme Fortschritte – dennoch stirbt immer noch jede Minute weltweit ein Mensch an den Folgen der Virus-Infektion. Die Covid-Pandemie hat die Fortschritte verlangsamt. Die Zahlen zeigen, dass Investitionen in HIV-Prävention und HIV-Behandlung sehr wirksam sind. Doch diese Investitionen sind so niedrig, wie seit einem Jahrzehnt nicht mehr.
Kampf gegen Aids durch Aufklärung: Zeichnung eines Schülers an der Schule der SOS-Kinderdörfer in Bakoteh, Gambia.
Aids weltweit: Zahlen und Statisiken
Weltweit leben 39,9 Millionen Menschen mit HIV, davon sind 1,4 Millionen Kinder. Mehr als die Hälfte (53 Prozent) der Betroffenen sind Mädchen und Frauen. 1,3 Millionen Menschen haben sich im Jahr 2023 neu infiziert, davon waren 120.000 Kinder. Dank einer verbesserten medizinischen Versorgung konnte die Sterberate in vielen Ländern erheblich reduziert werden. Dennoch starben im Jahr 2023 mehr als eine halbe Million Menschen (630.000) an den Folgen von Aids, jeder achte davon war ein Kind. Immer noch leben rund 9,3 Millionen Infizierte weltweit ohne Behandlung. Und immer noch werden infizierte Kinder deutlich schlechter mit HIV-Medikamenten versorgt als Erwachsene.
Aids in Afrika: Das sagen die Zahlen
Die am stärksten von HIV und Aids betroffenen Region der Welt sind die afrikanischen Länder südlich der Sahara:
- Zwar sind gerade in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara die Fortschritte im Kampf gegen HIV und Aids enorm – dennoch leben dort immer noch rund 65 Prozent aller Infizierten: 25,9 Millionen Menschen. Und mehr als 60 Prozent derer, die an den Folgen der Infektion 2023 starben.
- 640.000 Menschen haben sich 2023 in Subsahara-Afrika mit HIV infiziert. Diese Zahlen sinken stetig, vor zehn Jahren war es noch über eine Million Neuinfektionen.
- 86 Prozent der weltweit infizierten Kinder leben in den Ländern südlich der Sahara und 85 Prozent der Kinder, die an den Folgen der Infektion 2023 starben.
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Aktuelle Trends
- Rückgang der Zahlen weltweit: In den vergangenen Jahrzehnten wurden erhebliche Fortschritte gemacht. Seit dem Höhepunkt der Pandemie 1995 wurde die Zahl der Neuinfektionen um 60 Prozent reduziert und sie sinken weiter. Noch nie war die Versorgung mit HIV-Medikamenten so gut wie heute, noch nie haben so viele Betroffene ihre Viruslast unter die Nachweisgrenze senken können. Die aids-bedingten Todesfälle sind auf dem niedrigsten Stand seit dem Höhepunkt 2004.
- Fortschritte in Subsahara-Afrika: Gerade auch im Brennpunkt Subsahara-Afrika gehen die Ansteckungs- und Todeszahlen insgesamt weiter zurück. Immer mehr Länder erreichen dort die 95er-Ziele: Das heißt, 95 Prozent aller HIV-Infizierten wissen über ihre Infektion Bescheid, sind also diagnostiziert. 95 Prozent aller Diagnostizierten haben Zugang zu HIV-Medikamenten und bei 95 Prozent der Behandelten ist kein Virus mehr nachweisbar.
- Erstmals mehr als die Hälfte der Neuinfektionen außerhalb Subsahara-Afrikas: Seit mehreren Jahren steigen die Infektionszahlen in Osteuropa, Zentralasien, Lateinamerika, Nordafrika und im Nahen Osten an, auch die Zahl der Todesfälle. Im Jahr 2023 haben sich deswegen erstmals mehr Menschen (654.000) außerhalb der Länder Subsahara-Afrikas infiziert.
- Krisen und Kriege erschweren den Kampf gegen HIV: In Nordafrika und dem Nahen Osten hat sich die Zahl der jährlichen Neuinfektionen seit 2010 mehr als verdoppelt, mehr als zwei Millionen Infizierte leben dort. Der Kampf gegen HIV und Aids wird durch politische, wirtschaftliche und humanitäre Krisen erschwert, so zum Beispiel im Sudan, im Jemen, in Syrien oder in den besetzten palästinensischen Gebieten. In Osteuropa und Zentralasien stieg die Zahl der Neuinfektionen seit 2010 um 20 Prozent – fast alle Infektionen geschehen dort in den sogenannten Schlüsselgruppen. Die am meisten betroffenen Länder sind Kasachstan, Russische Föderation (2), Ukraine und Usbekistan.
- Die Ziele bis 2025 werden nicht erreicht: Die Ziele, die sich die Vereinten Nationen bis 2025 gesetzt hatten, werden trotz der Fortschritte nicht erreicht: So wollte man neben den 95er-Zielen, die Zahl der Neuinfektionen weltweit auf weniger als 370 000 senken, mit 1,3 Millionen ist die Zahl 2023 aber mehr als dreimal so hoch.
- Anteil der Infektionen aus Schüsselgruppen steigt: Als Schlüsselgruppen für die Infektion mit HIV gelten Sexarbeiter:innen, homosexuelle und andere Männer, die Sex mit Männern haben, trans*Menschen und Menschen, die Drogen injizieren und Gefängnisinsassen. Der Anteil von Menschen aus Schlüsselgruppen bei den Neuinfektionen steigt und liegt derzeit bei 55 Prozent.
HIV in Afrika: Krankheit der jungen Frauen
Weltweit infizieren sich jede Woche 4000 heranwachsende Mädchen und junge Frauen zwischen 15 und 24 Jahren mit HIV – 3100 davon in Subsahara-Afrika. Weltweit machen Frauen und Mädchen 44 Prozent der Neuinfektionen aus, in Subsahara-Afrika sind es aber deutlich mehr als die Hälfte (62 Prozent). Mädchen und junge Frauen stecken sich dort mehr als dreimal so häufig an wie ihre männlichen Altersgenossen. Armut, Gewalt, Diskriminierung, Stigmatisierung und mangelnder Zugang zu Bildung verschlechtern die Chancen auf eine selbstbestimmte Sexualität und erhöhen so das Risiko einer HIV-Infektion.
Kinder und HIV
Die Mutter starb an Aids, nun kümmert sich die Großmutter um die verwaiste Enkeltochter: Die Familienhilfe der SOS-Kinderdörfer in Bangui, Zentralafrika, bietet Unterstützung - Foto: Sylvain Cherkaoui
In den Ländern Subsahara-Afrikas leben mehr als 10 Millionen Waisenkinder, deren Eltern als Aids gestorben sind. Dank der besseren medizinischen Versorgung wurden die Sterberaten inzwischen enorm reduziert, sodass die Zahl der Aidswaisen nur noch langsam steigt. Auch die sogenannte vertikale Infektion von Müttern auf Kinder ist besonders in Ost- und Südafrika stark zurückgegangen, weil der Zugang zu kostenlosen HIV-Medikamenten verbessert wurde, die die Viruslast der Mütter senken. Infizierte Kinder haben aber deutlich schlechteren Zugang zu HIV-Medikamenten als Erwachsene. Weltweit werden 77 Prozent der Infizierten behandelt, aber nur 57 Prozent der infizierten Kinder. Das heißt, fast 800.000 Kinder bekommen nicht die nötige Therapie.
HIV/Aids und Armut: Ursachen
Extreme Armut ist nicht nur die Folge, sondern auch Hauptursache für hohe HIV-Infektionsraten.
- Etwa die Hälfte der Menschen weltweit, die unter extremer Armut leiden, lebt in den Ländern südlich der Sahara. Umso wichtiger sind dort Präventions-Programme und die kostenlose Abgabe von Medikamenten. Ein Bericht von UNAIDS zeigt, dass die Folgen der Covid-Pandemie und die aktuelle Schuldenkrise den Kampf gegen HIV in diesen Ländern gefährdet.
- Mangelnde Prävention und Aufklärung: Aufklärung wird nicht zuletzt dadurch erschwert, dass ein Großteil der Menschen unzureichenden Zugang zu Bildung haben.
- Tabu und Stigmatisierung: Aids und HIV gelten in vielen afrikanischen Ländern als Tabu. HIV-Infizierte werden stigmatisiert und von der Gesellschaft ausgestoßen. Viele halten daher ihre Krankheit geheim - auch vor ihren Sexualpartnern.
- Diskriminierung und Kriminalisierung: Gleichgeschlechtliche Beziehungen, Sexarbeit und Drogenkonsum sind in vielen Ländern stigmatisiert oder sogar kriminalisiert. Homosexuelle Männer, Sexarbeiter:innen und Drogenkonsumenten werden so ausgegrenzt und erhalten oft keinen Zugang zu Präventionsangeboten oder Therapie..
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UN-Ziele: Aids besiegen bis 2030 ist möglich
17 Ziele für nachhaltige Entwicklung: die Agenda 2030 der Weltgemeinschaft
Quelle: Die Bundesregierung
Bis 2030 will die Weltgemeinschaft Aids besiegen. Und das ist das immer noch möglich, wie UNAIDS, die Aids-Organisation der Vereinten Nationen, im aktuellen Bericht "AIDS at a crossroad – Aids am Scheideweg" deutlich macht. Zu langsam, so mahnt UNAIDs an, sind die Fortschritte bei der Reduzierung von Stigmatisierung, Diskriminierung, sozialer Ungleichheit und Gewalt. Die größten Fortschritte wurden in jenen Ländern erreicht, in die am meisten Geld investiert wurde, deswegen zähle vor allem der politische Wille. Noch immer gibt es viele HIV-Infektionen, die man mit Investitionen in Prävention und in die Stärkung der Schlüsselgruppen und Gesundheitssysteme vermeiden könnte. Laut UNAIDS sind die finanziellen Mittel für den Kampf gegen HIV aber auf dem niedrigsten Stand seit 2013. Bliebe man beim jetzigen Kurs und erhöhe die Investitionen nicht, würden im Jahr 2050, so die Prognose, 46 Millionen Menschen mit HIV leben.
Zu Zwischenzielen der Weltgemeinschaft bis 2025 gehören:
Zugang zu Gesundheitsangeboten: die „95er“-Ziele
- 95 % der Menschen mit einer HIV-Diagnose sollen HIV-Medikamente erhalten.
- Bei 95 % der Menschen, die HIV-Medikamente nehmen, soll die Virusvermehrung erfolgreich unterdrückt sein.
- 95 % aller Schwangeren mit HIV sollen Zugang zu Maßnahmen haben, die eine Übertragung auf ihre Babys verhindern.
- 95 % aller Frauen sollen Zugang zu HIV-bezogenen Angeboten sowie zu Angeboten der sexuellen und reproduktiven Gesundheit haben.
- 95 % der Menschen aus den Schlüsselgruppen sollen Methoden der sogenannten kombinierten Prävention nutzen wie zum Beispiel Kondome, Femidome, HIV-Prophylaxe, sterile Spritzen und andere Maßnahmen zum Schutz bei Drogenkonsum.
Befähigendes Umfeld: Die „10er“-Ziele
- In weniger als 10 % der Länder soll es besondere strafrechtliche Bestimmungen oder Regeln gegen die Schlüsselgruppen der HIV-Prävention geben.
- Weniger als 10 % der Menschen aus diesen Schlüsselgruppen sollen Stigmatisierung und Diskriminierung erleben.
- Weniger als 10 % der Menschen aus den Schlüsselgruppen sollen geschlechtsbasierte Ungleichheit und Gewalt erleben.
SOS-Kinderdörfer im Kampf gegen Aids in Afrika
Trotz der bisherigen Erfolge auf dem afrikanischen Kontinent ist der weltweite Kampf gegen HIV/Aids noch längst nicht gewonnen. Unzählige Menschen, ein Großteil davon Kinder und Eltern, brauchen auch weiterhin Hilfe. Die SOS-Kinderdörfer geben Aids-Waisen ein Zuhause und stärken Familien, die durch die Krankheit in Not geraten sind.