Wenn ich irgendwann einmal diese Erde verlassen werde, möchte ich sagen können: „Oh, jetzt schon. Schade. Aber es ist in Ordnung.“ Ich bin 58 Jahre alt und habe etwa vor zwei Jahren damit begonnen, mich mit meiner eigenen Endlichkeit auseinanderzusetzen. Ich finde das gar nicht so einfach: Was bedeutet es für mich zu sterben? Wie möchte ich beerdigt werden? Was möchte ich hinterlassen? Da kommen auch Ängste hoch… Aber ich merke, dass die Lebensfreude wächst und ich präsenter werde, je mehr ich mich dem Thema stelle und die Realitäten annehme.
Ich brauche keine Denkmäler und habe die Haltung, dass alles, was wir besitzen, am Ende doch nur geliehen ist. Mitnehmen können wir nichts. Deshalb ist es ein gutes Gefühl, zu wissen, dass mein Erbe später sinnvoll eingesetzt wird und benachteiligten Jugendlichen zugutekommt: Mein Mann und ich haben selber keine Familie und haben unser Testament zugunsten der SOS-Kinderdörfer gemacht.
Wir möchten damit vor allem schwule, lesbische und Transgender-Jugendliche unterstützen. Ich habe selbst erfahren, wie es ist, mit so einer doppelten Stigmatisierung groß zu werden: Als schwuler Jugendlicher bin ich in einem sozialen Brennpunkt aufgewachsen. Das war nicht leicht und mit ein Grund dafür, dass ich Jura studiert habe: Es war mir ein Anliegen, mehr Gerechtigkeit in die Welt zu bringen. Heute verfolge ich dieses Ziel immer noch: Als Leiter „Corporate Citizenship“ bin ich für die sozialen Programme bei der Deutschen Post DHL zuständig, zu denen auch die Initiative „Go Teach“ gehört, die wir gemeinsam mit den SOS-Kinderdörfern entwickelt haben.
Mit „Go Teach“ helfen wir benachteiligten Jugendlichen in verschiedenen Ländern bei dem oft mühsamen ersten Schritt ins Berufsleben. Die Jugendlichen bekommen die Gelegenheit, Praktika zu absolvieren, Erfahrungen im Job zu sammeln und werden von Mentoren unterstützt. Mittlerweile ist „GoTeach“ in 50 Ländern aktiv.
Ich erinnere mich noch gut, wie in diesem Zusammenhang eine Konferenz in Essen stattfand, bei der mehrere SOS-Jugendliche aus aller Welt ihre Geschichte erzählten. Unter anderem war Miguel, ein junger Mann aus Brasilien dabei, der am Ende seiner sehr lebendigen Erzählung die anwesenden Unternehmensvertreter und Verantwortlichen von SOS-Kinderdorf dazu aufgerufen hat, speziell auch Jugendliche mit LGBT-Hintergrund wie ihn zu unterstützen. Ich war sehr überrascht! Mein Mann und ich sprachen später noch länger darüber und entschieden uns schließlich, unser Erbe der SOS-Arbeit für Jugendliche wie Miguel zugutekommen zu lassen.
Ich bin sehr froh darüber: Wenn ich daran denke, wie es heute einem 12- oder 13-jährigen Jugendlichen ergeht, der gerade irgendwo auf der Welt entdeckt, dass er schwul ist, dann kommen schnell Erinnerungen an meine eigene Zeit zurück: Wut und Traurigkeit. Ich war verdammt einsam! Deshalb finde ich es so wichtig, Farbe zu bekennen und die Jugendlichen, wo wir können, zu unterstützen. Wir dürfen sie nicht alleine lassen!
Ich bin überzeugt davon, dass wir von der Unterstützung, die wir anderen geben, selbst auch eine Menge haben. Wie es das „Gleichnis vom reichen Kornbauern“ in der Bibel sagt, kann es nicht das Ziel sein, immer mehr anzuhäufen, sondern zu teilen. In diesem Sinne habe ich mich vor einiger Zeit dazu entschlossen, mein Umfeld monatlich finanziell zu unterstützen. Es geht mir seitdem besser, auch materiell, weil ich mir plötzlich selbst mehr gönne.
Das Geben hat mich verändert.
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