Der Krieg in der Ukraine zerstört das Leben von Millionen von Kindern, verletzt massiv ihre Rechte und reißt Familien auseinander. Doch auch für Menschen, die tausende Kilometer entfernt leben, sind die Folgen verheerend. Denn die Ukraine ist die Kornkammer der Welt: Zusammen mit Russland liefert sie ein Drittel des Getreides für die Weltbevölkerung. Durch den Krieg ist der Handel unterbrochen und die Weizenpreise sind weltweit auf ein Rekordhoch geklettert. Viele afrikanische Staaten sind von den Importen abhängig und könnten einen Ausfall oder Rückgang der Lieferungen selbst auf lange Sicht nicht ausgleichen.
Die Langzeiteffekte des Ukraine-Kriegs auf den afrikanischen Kontinent sind schwer abzuschätzen. Tobias Heidland, Forschungsdirektor und Mitglied im Forschungscluster Afrika am Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel), simulierte mit einem Team des IfW Kiel und der Afrikanischen Entwicklungsbank drei mögliche Szenarien:
- stark verringerte Erntemengen von ukrainischem Weizen und anderen Getreidesorten aufgrund von Zerstörung und Kriegswirtschaft im Land
- stark ansteigende Handelskosten mit der Ukraine und Russland aufgrund von Sanktionen und unterbrochenen Handelsrouten im Schwarzen Meer
- ein möglicher Exportstopp Russlands
Das Ergebnis der Simulation, die Heidland im März 2022 vorstellte: Aufgrund des Ukraine-Kriegs drohen dramatische Folgen für die Ernährungssicherheit in Afrika – besonders in Ländern, die stark von ukrainischen und russischen Agrargütern abhängig sind, zum Beispiel Ägypten, Somalia oder der Sudan. Selbst in Ländern, deren Importanteil gering ausfällt, könnte der Schaden für die Menschen enorm sein, war die Lebensmittelversorgung doch schon vor Februar 2022 vielerorts angespannt. Tobias Heidland zeichnet ein düsteres Zukunftsbild: "Eine neue Realität auf dem Getreideweltmarkt, in der die Ukraine und Russland für lange Zeit nicht mehr die gewohnten Mengen liefern, geht klar zu Lasten einer Reihe von afrikanischen Ländern. Der Krieg in der Ukraine ist eine reale Bedrohung für die Ernährungssicherheit von Millionen Menschen in Afrika."
Bereits die Corona-Pandemie hat zu einem extremen Anstieg von Hunger geführt und die besonders betroffenen Länder in ihren Anstrengungen für ihre wirtschaftliche, soziale und politische Entwicklung oder Stabilisierung um Jahre zurückgeworfen. Durch den Ukraine-Krieg haben nun die ärmsten Länder dieser Welt mit erheblichen Preissteigerungen zu kämpfen. Die Inflation führt zu einer Ernährungskrise. Die Nahrungsmittelknappheit könnte sich auch auf die Fähigkeit vieler Hilfsorganisationen auswirken, Nahrungsmittelhilfe zu leisten.