Ukraine: Eine Pflegefamilie findet ein neues Zuhause

Bevor der Krieg über die Ukraine hereinbrach, lebten Serhii, Olena und ihre fünf Pflegekinder in der Region Cherson. Nach der Invasion flüchtete die Familie nach Kiew. Dort erhielt sie Unterstützung durch das SOS-Kinderdorf Brovary.

Serhii und Olena wurden vor elf Jahren Pflegeeltern in ihrer Heimatstadt in der Region von Cherson. Heute ziehen sie fünf Kinder groß: die Jungen Mykola, Nikita und Daniil sowie die Mädchen Dasha und Nika.

Nach dem Ausbruch des Kriegs am 24. Februar 2022 tobten im Umland von Cherson schwere Kämpfe. Auch die Heimatstadt der Pflegefamilie wurde besetzt. Nach zwei Monaten unter der Okkupation hielten sie es dort nicht mehr aus, die Familie beschloss, nach Kiew zu gehen, wo sie im späten Frühjahr 2022 ankam. Dort wandten sie sich an die SOS-Kinderdörfer in der Ukraine, die Pflegefamilien materielle und finanzielle Hilfe boten. Zusammen mit 36 weiteren geflüchteten Pflegefamilien wurden sie direkt vom SOS-Kinderdorf Brovary bei Kiew unterstützt.

"Wir glauben nicht, Heldentaten zu vollbringen, indem wir Kinder in einer Pflegefamilie großziehen. Ganz und gar nicht. Wir lieben, hegen und pflegen unsere Familie einfach Tag für Tag, damit unsere Kinder zu guten und feinen Menschen heranwachsen. Das ist unsere kleine Welt, und es ist unsere große Verantwortung", sagt Serhii.

"Ich habe früher in einem Heim gearbeitet, und meine eigene Erfahrung beweist, dass ein Heim absolut keine Option für ein Kind ist, das ohne elterliche Liebe, Fürsorge und die Aussicht auf ein Aufwachsen in einer Familie zurückgelassen wird."

Wieder Halt finden

Bereit für den Familienausflug: Die Kinder sagen, dass sie am liebsten mit Mama und Papa auf dem Fahrrad durch Brovary fahren. Foto: Katerina Ilievska

Ein Jahr später, im Juni 2023, erfuhr das Paar, dass ihr Haus in ihrer Heimatstadt vollständig zerstört worden war: durch die Flut nach der Zerstörung des Kakhovka-Damms. Die Hoffnung, dass sie eines Tages in ihr Zuhause zurückkehren könnten, hatte sich damit zerschlagen. Daraufhin wurde ihnen angeboten, in eines der Familienhäuser im SOS-Kinderdorf Brovary zu ziehen, wo sie seitdem leben. In ihrem neuen Zuhause haben die Kinder wieder Halt gefunden.

"Uns und unseren Kindern gefällt es hier in Brovary sehr gut", sagt Olena. "Das SOS-Kinderdorf bietet alles für ein glückliches und aktives Leben. Wir haben ein gut ausgestattetes, gemütliches Haus, umgeben von Wald und sauberer Luft, und eine Sporthalle."

Die Kinder holen ihren Lernrückstand auf

Die Eltern fügen hinzu, dass die schulische Entwicklung ihrer Kinder in den Jahren des Online-Unterrichts gelitten hat. "Die Qualität der Bildung ist allgemein niedrig", sagt Serhii. "Erst die Pandemie, dann der Krieg haben die Kinder ohne die wertvolle Erfahrung einer richtigen Schulbildung zurückgelassen. Unsere Kinder haben erst im September 2023, nachdem wir ins SOS-Kinderdorf Brovary gezogen sind, wieder mit dem Präsenzunterricht in der Schule begonnen. Jetzt ist es viel, viel besser."

Bei den Hausaufgaben - Foto: Katerina Ilievska

Schule in Kriegszeiten

Ein Großteil der Kinder in der Ukraine hat weiterhin keinen Zugang zu hochwertiger Bildung, auf die sie ein Recht haben:

  • Seit Kriegsausbruch am 24. Februar 2022 wurden in der Ukraine 363 Kindergärten und Schulen zerstört und 2246 beschädigt. Diese Zahlen wachsen ständig.
  • Aufgrund des Krieges in der Ukraine geht dort etwa jedes zehnte Kind im schulpflichtigen Alter nicht regelmäßig zur Schule. Im Osten des Landes ist der Anteil deutlich höher: Etwa jedes dritte Schulkind besucht dort weniger als vier Tage in der Woche den Unterricht.
  • Auch im Schuljahr 2023/24, so die Auswertung erster Daten, ist nur die Hälfte der ukrainischen Schulen vollständig zum Präsenzunterricht zurückgekehrt. 20 Prozent der Schulen bleiben geschlossen, für die Kinder gibt es dort nur Online-Unterricht. Bei 30 Prozent der Schulen wechseln Online- und Präsenzunterricht.
  • Schwere und anhaltende Belastungen durch konfliktbedingte Traumata und psychischen Stress wirken sich auch auf die Bildung aus und bergen das Risiko von Schulabbrüchen. Eltern und Betreuer in den Konfliktgebieten berichteten, dass Kinder Kontakt und neue Freundschaften meiden, Angst im Freien haben und sich allgemein unsicher und isoliert fühlen.
  • Schätzungsweise 5,3 Millionen Kinder im Vorschul- und Schulalter sowie Lehrer:innen in der Ukraine leiden unter den Folgen des Kriegs. Im Jahr 2024 benötigen 1,2 Millionen Kinder und Lehrer:innen humanitäre Unterstützung.


Talente fördern

Olena fährt fort: "Wir möchten den SOS-Kinderdörfern für ihre langjährige Unterstützung und Hilfe bei der Entwicklung unserer Kinder danken. Sie stellen Laptops zum Lernen zur Verfügung, und Tutor:innen halfen unseren Kindern, ihre Schwierigkeiten in verschiedenen Fächern zu überwinden, wie Mathematik oder Ukrainisch. Unsere Kinder besuchen gerne das Jugendzentrum, machen Ausflüge und nehmen an verschiedenen kreativen und entwicklungsfördernden Aktivitäten teil. Es ist wichtig, die Talente der Kinder zu fördern und ihnen schon früh Selbstvertrauen zu vermitteln. Zurzeit spielen Mykola und Nika gekonnt Geige und Klavier und nehmen an Wettbewerben teil. Dasha hat ihre Musikschule erfolgreich abgeschlossen, und Daniil und Nikita haben eine Leidenschaft für Sport - sie spielen Fußball und machen Boxsport."

"Ich werde immer Musik machen":  Mykola spielt Keyboard. Foto: Katerina Ilievska

Die aktiven Musiker:innen der Familie, Mykola und Nika, sind bereit, ein paar Details aus ihrem Leben zu erzählen.

"Ich besuche die achte Klasse der Grundschule und die sechste Klasse der Musikschule", erklärt Mykola. "Ich begann mit der Musikschule, als ich sechs Jahre alt war, in unserer Heimatstadt. Zuerst wollte ich Gitarre spielen, aber dann bin ich zur Geige gewechselt. Ich habe Musik immer gemocht, aber ich habe auch viele andere Interessen", lächelt der Junge. "Ich mag Sport und Kunst. Ich mag auch Naturwissenschaften, und vielleicht werde ich mal Zahnarzt, wenn ich groß bin. Aber ich weiß ganz sicher, dass ich immer Musik machen werde."

Nika hat geduldig gewartet, bis Mykola geendet hat, und beginnt sofort mit ihrer Geschichte: "Ich bin auch in der sechsten Klasse der Musikschule, aber ich bin in der neunten Klasse. Ich spiele gerne Musikinstrumente. Das Spielen der Ukulele habe ich mir selbst beigebracht, indem ich mir YouTube-Videos angesehen habe. Wie Mykola und alle anderen in unserem Haus habe auch ich viele verschiedene Interessen. Ich male gerne und mag alles, was mit Kunst zu tun hat. Was meinen zukünftigen Beruf angeht, so würde ich gerne in Papas Fußstapfen treten und Juristin werden. Davon habe ich schon als Kind geträumt - mein Vater ist mein Vorbild."

Auch Nika liebt es zu muszieren und besucht die Musikschule. Foto: Katerina Ilievska

"Wir lernen ständig von unseren Kindern"

Serhii

"Kinder in unsere Familie aufzunehmen ist definitiv eine der besten Entscheidungen, die wir je in unserem Leben getroffen haben", sagt Serhii. "Sie geben unserem Leben Sinn und Kraft, bereichern uns geistig. Wir lernen ständig von unseren Kindern, wachsen als Eltern und als Menschen."

 

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